Fluch oder Segen
Lebbar oder nicht
Hallo No Ma’am und alle anderen Listies,
vor kurzem erschien eine Kontaktanzeige hier im Forum bezüglich 24/7. Für alle, die nicht genau wissen, was das bedeutet, hier eine kurze Erklärung (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
24/7, also 24 Stunden am Tag / 7 Tage die Woche (oder auch DS Dominance/Submission) beinhaltet für die meisten SMer ein Machtgefüge (Rollenverteilung), dass ständig besteht, und nicht nur während der Session. Dabei geht es in erster Linie nicht um das Zufügen/Erleiden von Schmerz, sondern im Vordergrund steht die festgelegte Hierarchie zwischen den Partnern.
Die von mir jetzt geschilderte Meinung ist meine ganz persönliche, ich erhebe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Ich unterscheide zwischen der 24/7 Phantasie und der 24/7 Realität.
In der Phantasie stellt sich so manch ein Sub folgendes vor:
Vollständige dauerhafte Versklavung
Dauerhafte Kennzeichnung (Brandeisen/Tattoo o.ä.)
Besitzloses Leben (und damit Überschreibung sämtlicher Besitztümer an den Dom)
Aufgabe aller sozialen/familiären/beruflichen Kontakte inkl Aufgeben der Wohnung/Arbeit usw
Kontrolle oder Aufgabe der eigenen Sexualität
Leben nach den Regeln des Doms
Aufgabe der eigenen Meinung und Verantwortung
…
Diese Liste lässt sich beliebig verlängern: Sklavenvertrag, medizinische Eingriffe, Einkerkerung…
Für den Dom bedeutet das: Unendliche VERANTWORTUNG
Komplette Verantwortung für das Leben eines anderen MENSCHEN, oder aber komplette Ignoranz/Gleichgültigkeit gegenüber einem anderen MENSCHEN.
In der Realität funktioniert das meines Erachtens NICHT, es sei denn, Dom braucht kein eigenes Geld verdienen (hat ja genug vom Sub bekommen), besitzt ein großes Haus mit Bediensteten, die sich um die alltäglichen Dinge des Lebens kümmern, damit Dom sich ganz mit seinem Sub und der daraus erwachsenen Verantwortung beschäftigen kann (Kontrolle aller Regeln, Kontrolle des Subs).
Sub braucht auch kein Geld zu verdienen, beide leben nur für ihre 24/7 Sexualität. Dom ist bereit, sich um einen erwachsenen Menschen zu kümmern, der sich durch seine Meinungslosigkeit und Verantwortungslosigkeit auf den Stand eines Kleinkindes begibt.
Und dann würde das passieren, was No Ma’am im Forum beschrieb:
24/7 in der Realität bedeutet lebbares Machtgefüge inklusive vieler Kompromisse. Wenn eine 24/7 Beziehung nur aus Regeln besteht, dann machen sich beide zum Hampelmann und zum Sklaven der aufgestellten Regeln. Sub muß ständig ans Einhalten denken, Dom ständig ans Kontrollieren.Aber dann richtet sich doch auch der dominante Part nach diesen Regeln und macht sich so zum Hampelmann, widerspricht es sich doch irgendwie, dominant und sich nach Regeln richten. Macht man
sich nicht automatisch zu einem Erfüllungsgehilfen wenn man als Dom eine 24/7 Beziehung eingeht?
Bei 24/7 sollten beide Partner „die Kirche im Dorf lassen“ und ganz klar zwischen Phantasie und Realität unterscheiden können.
No Ma’am schrieb:
Und ich füge hinzu: …und die Unterwerfung den Gegebenheiten des realen Lebens anzupassen.Was ich mir noch vorstellen kann ist das 24/7 bedeutet das der dominante Part eben immer die Möglichkeit hat die Unterwerfung des Sub zu fordern.
Nun komme ich zu der von meinem Partner und mir gelebten 24/7 Beziehung:
Bei uns herrscht ein dauerndes Machtgefüge, er oben, ich unten. Das heißt aber nicht, dass ich keine eigene Meinung habe, denn er liebt den Austausch mit mir. Will er aber eine Diskussion oder Meinungsverschiedenheit beenden, ist es sein gutes Recht, dies zu tun. Meine eigene Meinung behalte ich trotzdem.
Es gibt einige Dinge, die aus der 24/7 Beziehung ausgeklammert sind (manch einer nennt das jetzt Inkonsequenz, ich nenne es vernünftig lebbares 24/7):
Job (es bleibt meine Entscheidung, was ich beruflich mache), Geld (ich besitze ein eigenes Konto), wichtige „Beziehungsentscheidungen“ wie zB Abschliessen eines Bausparvertrages, Anschaffung von Möbeln.
Es gibt einige Regeln, die sich durch unseren Alltag ziehen. Diese Regeln lassen sich gut in den Alltag integrieren, stören ihn nicht. Es ist zB meine Aufgabe, ihm morgens seinen Kaffee zu bringen und seinen Computer anzuschalten.
No Ma’am schrieb:
Ich spiele diese Rolle nicht, ich BIN. Da ich privat nicht switche, liegt der Reiz natürlich in der von mir bevorzugten „Rolle“.aber wirklich 24/7 so eine Rolle zu spielen, ständig bestimmte Regeln einhalten, sich auf eine einzige Rolle zu reduzieren, wo liegt da der Reiz für Dich?
Ja.Machst Du das weil Du Dich in dieser Rolle einfach wohl und geborgen fühlst
Oder bist Du nicht fähig die Verantwortung für Dich selber zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen um es mal etwas provokant auszudrücken?
Ich bin durchaus alleine lebensfähig.

Ich kann Verantwortung übernehmen und Entscheidungen treffen. Wenn mein jetziger Partner nicht mehr da wäre (ob nun zB durch Tod oder Ende der Beziehung) bin ich jederzeit in der Lage, für mich selbst zu sorgen.
Ich treffe nach wie vor viele Entscheidungen für mein Leben selbst (wie zB Job) und will dies auch gar nicht abgeben.
Aber ich liebe es, nicht alle Entscheidungen selbst treffen zu müssen. Ich gebe gerne die Verantwortung für bestimmte Bereiche meines Lebens auf. Ich fühle mich wohl und geborgen damit.
Um noch mal auf die Kontaktanzeige einzugehen: No Ma’am schreibt:
Nein, der Meinung bin ich nicht. Ich glaube nicht, dass es viele Frauen gibt, die sich so versklaven wollen, wie Sir Tobi es beschrieben hat.Das eigentliche Problem jemanden zu finden ist aber das Sir Tobi ein Mann ist und keine Frau.
Ich glaube, dass Männer öfters dazu neigen, Phantasie und Realität nicht auseinanderhalten können/wollen.
So mag es sicher viele Männer geben, die es sich toll vorstellen, eine immer verfügbare, dauergeile, gehorsame, meinungslose, nackt rumlaufende, putzende Sub zu haben.
Die Verantwortung, die das mit sich bringt, wird auf männlicher Seite gerne übersehen.
Das möchte ich NICHT pauschalisieren, es fällt aber doch auf, dass Männer zB in Kontaktanzeigen entweder selbst komplett entrechtet werden wollen, oder aber der Frau keinerlei Rechte einräumen wollen, und dass dominante Frauen sich einen willensstarken Sub wünschen (kein Widerspruch), und kein sabberndes Kleinkind.
So, auf anregende Diskussionen freut sich
Tanja
PS: Ich beantworte auch gerne Fragen zu lebbarem 24/7, werde aber sicherlich nicht alle Details meiner Beziehung hier veröffentlichen