Die Frage ob BDSM dem SSC oder RACK Ansatz folgen sollte, ist geeignet "Glaubenskriege" auszulösen.
Daher vorweg, was ich hier widergebe, ist meine Meinung. Ich weiß, dass diese von einigen geteilt wird, wohingegen andere sie zurückweisen. Insofern möchte ich niemanden bekehren, sich dieser Meinung anzuschließen und akzeptiere auch abweichende Auffassungen, verlange aber auch Respekt vor meiner Sichtweise.
Ich glaube, dass SSC und RACK sich nicht ausschließen, sondern sogar symbiotisch sind. Dann SSC beachtet nicht, dass jede SM Praktik mit Risiken verbunden ist. Somit greift dieser Grundsatz m.E. zu kurz. RACK klammert das Bestreben nach höchstmöglicher Sicherheit in (zu) starkem Maße aus und vernachlässigt somit einen wichtigen Punkt im BDSM. Beides gehört m.E. aber kombiniert.
Ich bin der Überzeugung, dass SSC oftmals nicht praktizierbar ist. Dies gilt auch für den professionellen Bereich, auch wenn es hier oftmals ein "topping from the bottom" ist und das Risiko eines "Überdrehens" durch den Top somit verringert ist.
Ein Beispiel, warum ich denke, dass SSC nicht umsetzbar ist, und (fast) jede BDSM Praktik mit Risiken verbunden ist: Eine Ohrfeige ist wahrlich nicht Extrem-BDSM, trotzdem gibt es hier immer ein Risiko schwerwiegender Verletzungen. 1. Die Handinnenfläche kann anstelle der Wange das Ohr treffen, mit Trommelfellverletzungen als Folge, oder ein Finger kann das Auge treffen, mit Verletzungen des Augapfels als Folge. Folge ich in strengem Maße dem SSC, dann dürfte ich diese Praxis nicht mehr durchführen. Was bliebe dann aber noch von BDSM? Nicht mehr viel bis gar nichts.
Nur der Vollständigkeit halber noch ein Beispiel von einer BDSM Praktik von der ich sage, dass sie ungefährlich ist. Der Bottom bekommt eine Windel an und muss mit einer Puppe spielen.
Jetzt zu meinen Verständnis von SSC und RACK.
Unter SSC (safe, sane, consensual) verstehe ich im Wesentlichen folgendes:
Safe:
a) Hygiene wird als sehr wichtig empfunden und die höchsten Standards angewendet.
b) Alle Beteiligten stehen nicht unter dem Einfluss von Alkohol und/oder Drogen bzw. beinträchtigenden Medikamenten oder sind durch externe Anlässe sehr aufgewühlt und abgelenkt.
c) Gesundheitliche Restriktionen, insbesondere beim Bottom, sind bekannt.
d) Die Beteiligten, hier v.a. der Top, kennt sich in erster Hilfe aus und die Nummer des Rettungsdienstes ist bekannt und ein Telefon verfügbar.
Sane:
a) Vereinbarte Limits werden eingehalten, bzw. deren Erweiterung erfolgt mit der notwendigen Sorgfalt.
b) Es werden nur solche Praktiken von dem Top durchgeführt, die dieser auch fachmännisch beherrscht und für die der Bottom körperlich und geistig bereit ist.
c) Die sogenannte "Aftercare" des Bottom wird als wichtig eingeschätzt.
Consensual:
a) Alle Beteiligten sind mit allen Handlungen jederzeit einverstanden, dies wird im Vorfeld abgeklärt.
b) Jeder Beteiligte hat die Möglichkeit, die Handlungen zu jeder Zeit zu beenden.
RACK (Risk Aware Consensual Kink) ist für mich vor allem im Bezug auf die Risikowahrnehmung (Risk Awareness) wichtig. Das bedeutet für mich:
a) Jeder kennt die mit der Praktik verbundenen Risiken und ist bereit diese einzugehen.
b) Jeder ist bestrebt die Risiken durch eigenes Zutun soweit als möglich zu verringern.
c) Sollte ein "Risiko" eintreten, können die Beteiligten die Folgen des Risiko soweit als möglich abmildern.
Somit wird m.E. nachvollziehbar, warum ich sage, dass SSC und RACK bzw. deren einzelne Elemente nicht als unvereinbare Gegenpole zu verstehen sind, sondern zusammengehören.